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Kreativbranche – ein Nest für nachhaltige Projekte und Unternehmen

Unter dem Motto „11 Impulse für morgen“ tingelt seit Mitte 2011 das Kompetenzzentrum Kultur- & Kreativwirtschaft des Bundes durch die Lande. Ziel der Veranstaltungen: Das Sammeln, Vernetzen und Ertüchtigen von Kreativen und Querdenkern in der Republik, die mit ihren Projekten und Unternehmensaktivitäten nicht unerheblich zum Gesicht dieser Nation beitragen. Denn immerhin  gibt es 237.000 Unternehmen mit einer Million Erwerbstätigen in dieser Branche, die mit ihren Leistungen z. B. in Design, mit alternativer Produktion, der Initiierung von Projekten zur Nachhaltigkeitsbildung und Stadtentwicklung mit der Wertschöpfung von 62,6 Milliarden Euro zwischen der Chemie- und der Automobilbranche stehen. Dabei sind es nicht die Schwergewichte der Branche, die das erwirtschaften. Es sind zu 97 % Klein- und Kleinstunternehmen, Freiberufler und Projektemacher, die einen erheblichen Beitrag dazu beisteuern, dass wir Kultur so erleben können wie z. B. in der Documentastadt Kassel.

Dabei kamen die Anregungen aus den Reihen der Kreativen selbst, das Thema Nachhaltigkeit durch das Kompetenzzentrum der Kultur- & Kreativwirtschaft des Bundes zu kommunizieren, lassen sich doch gerade bei Berufsanfängern und Hochschulabsolventen der Kreativbranche viele Akteure finden, die mit nachhaltigen Projekten und Geschäftsideen zur Transformation bzw. zu dem von den Umweltverbänden geforderten Kulturwandel beitragen. Diese jungen Leute wollen anders leben, so der Eindruck bei der Veranstaltung des regionalen Kompetenzzentrums für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland am 17.Kreativbranche gibt 11 Impulse für morgen7.2011 im Kulturbahnhof der Stadt Kassel, an der sich, umringt von Ausstellungslokalitäten der Documenta 2012, ca. 50 Teilnehmer über Beispielprojekte und -unternehmen informieren ließen.

Die Projekte und Geschäftsideen für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen der Kreativen zeichnen sich durch einige Aspekte gegenüber denen  der Nachhaltigkeitsszene aus: a) sie gelangen selten an potentielle Förderer bzw. Förderungen sind schwer zu erhalten, b) sie sind in der Regel sehr individuell geprägt und stark von eigenen Motivationen und Lebenseinstellungen für eine lebenswerte Zukunft angetrieben und c) sie setzen oft am Spieltrieb desjenigen an, der erreicht werden soll. Das partizipative Element der Nachhaltigkeit mit positiver Ansprache der emotionalen Ebene spielt also eine große Rolle für die Akteure der Kreativbranche.

So setzt z. B. das „Electric Hotel“ auf den Spieltrieb und das Kommunikationsbedürfnis von Open-Air-Eventbesuchern und bietet denen das Laden ihres Handyakkus mit Solarstrom oder der eigenen Muskelkraft mit einem stromerzeugenden Fahrrad an. Spielerisch gehen auch  die Hersteller von Designermöbeln mit Recycling-Materialien um, die unter der Unternehmensbezeichnung „diefabrik – Werkstatt der schönen Dinge“ z.B.  ausrangierten Plattenspieler-Lautsprechern mit modernen tragbaren MP3-Playern neues Leben einhauchen. Ausgeschlossen dabei: Massenware, denn es wird saisonal produziert, je nach Eingang der „Rohware“ aus der Müllsammlung. Die Mitarbeiter von „diefabrik“ sind über ein „Netzwerk Leben“ zusammengekommen und haben mit alten Maschinen in einer alten, leerstehenden Fabrikhalle begonnen, ihre Ideen mit den verfügbaren Recyclingmaterialien in ein Produktportfolio zum Thema Nachhaltigkeit umzusetzen. Zum Portfolio gehören nicht nur Gebrauchsgegenstände wie Schlaglöcher, die mit einem 100% recyclebaren Thermoplast ausgegossen zu Lampenschirmen ausgeformt werden, sondern auch konzeptionelle Produkte wie der Flickerlteppich aus Digitalmüll, die das Bewusstsein für Nachhaltigkeit schärfen sollen, ohne den Zeigefinger zu erheben oder jemanden von der eigenen Einstellung überzeugen zu wollen.

Wenngleich Nachhaltigkeit als Alleinstellungsmerkmal für Aktivitäten der Kreativen benannt wird, so meiden sie den Begriff nach Kräften. Lieber kommunizieren sie ihn mit Worten wie „das gute Leben“, sehen in ihm aber durchaus eine Mission, die sie verwirklichen wollen.

Und so fehlt es leider bei so manchen Projekten an der Positionierung in der Nachhaltigkeitsbranche und der damit verbundenen Möglichkeit, seine Ideen in der Gesellschaft zu etablieren. Wer den Begriff der Nachhaltigkeit für sich fließend verwendet, ist sicher freier in der Inszenierung neuer Projekte und Produkte, muss aber in Kauf nehmen, dass andere seinen Platz in der Branche besetzen können, die sich  Qualitätsvorgaben wie dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex verpflichtet fühlen.

Dennoch, die Kreativbranche ist unserer Meinung nach diejenige, die den so dringend notwendigen Kulturwandel massiv gestalten kann. Noch stecken die Jungvögel im Nest. Sie wollen gefüttert werden, damit sie bald ihre Schwingen ausbreiten und ihre Botschaften im Land verbreiten können.
Das WALUBO-Land freut sich auf ihre Besuche.